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Nachhaltigkeit heißt auch, so zu arbeiten, dass alle am Prozess Beteiligten Vorteile haben.

25.05.2022

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3 min

Das Biohotel Gut Nisdorf wurde Mitte der 90er Jahre von Jürg Gloor und seiner Frau Sabine Stange aufgebaut. Von Beginn an war es ihre Vision, etwas mit und für Menschen zu tun und so entstand die Idee, ein Ferienangebot für Familien zu entwickeln. Dabei ist es ihnen wichtig, mit ihrem nachhaltigen und fairen Konzept ihre Gäste glücklich zu machen und dabei stets Rücksicht auf Mensch und Natur zu nehmen. Sie verwenden ausschließlich bio-zertifizierte Lebensmittel, wenn möglich von regionalen Lieferanten, setzen auf Energieeffizienz und CO²-Neutralität und achten insbesondere auch auf einen fairen Umgang mit ihren Mitarbeitenden.

Im Interview: Sabine Stange und Jürg Gloor

Inhaber und Manager des Biohotels Gut Nisdorf

Sabine Stange und Jürg Gloor © Der nachhaltige und faire Umgang mit Mensch, Natur und Umwelt sind für uns extrem wichtig.

Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern:

Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie und welche Maßnahmen setzen Sie in Ihrem Unternehmen bereits um?

Jürg Gloor:

Wir arbeiten so, dass alle am Prozess Beteiligten Vorteile haben. Bio-Nahrungsmittel sind da selbstverständlich, aber auch ein fairer Umgang mit den Mitarbeitenden und den Lieferanten, der Einsatz ökologischer Wäsche, Reinigungsmittel, Baumaterialen, langlebiger Materialien und der sorgsame Umgang damit. Kaputtes wird erstmal repariert und nicht gleich weggeworfen. Ressourcenschonend arbeiten also wenig Abfall, keine Wegwerfprodukte, Zero-Waste-Küche, das heißt zum Beispiel zu viel Gekochtes wird nicht weggeworfen, sondern am nächsten Tag umgearbeitet und vieles mehr.

TMV:

Was hat Sie zu Ihrem nachhaltigen und fairen Konzept inspiriert?

Gloor:

Wir stammen aus der grün-geprägten nach-68-er Generation – haben also schon immer „Grüne“ Ziele verfolgt und gelebt. Im Lauf der Jahre haben wir durch Kollegen, Kongresse, Medien und so weiter viel dazugelernt und vieles noch verbessern können. Diese ständige Weiterentwicklung und Optimierung der Nachhaltigkeitsbilanz macht ein sehr gutes Gefühl.

TMV:

Sie sind zertifiziert durch BIO HOTELS, sind Mitglied der Green Pearls-Gemeinschaft, der weltweit führenden Datenquelle für nachhaltige Plätze, und Partner des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Worin sehen Sie die Vorteile dieser Zertifikate und Partnerschaften?

Gloor:

Die Bio-Zertifizierung ist ein Must-Have, weil es ein anerkanntes Messverfahren für Nachhaltigkeit im Lebensmittelbereich ist. Bio allein reicht aber nicht. Wir kümmern uns zum Beispiel auch darum, wie die Tiere tatsächlich gehalten werden. Nur durch die Mitarbeit in Kooperationen mit gleicher Gesinnung kann sich der Nachhaltigkeitsgedanke weiterverbreiten. Deshalb engagieren wir uns.

TMV:

Sie sind außerdem ein GWÖ – also nach Gemeinwohl-Ökonomie – zertifiziertes Unternehmen. Was bedeutet das?

Gloor:

Nach GWÖ arbeiten heißt, das Wohl von Mensch und Umwelt zum obersten Ziel zu erheben. Der GWÖ-Zertifizierungsprozess hilft uns dabei. Da gab es zum Beispiel die Fragestellung, ob die Gehälter den Mitarbeitern wirklich zum Leben reichen und ob diese davon auch Bio-Lebensmittel, Öko-Kleidung und so weiter kaufen können? Als Antwort auf die Frage haben wir die Gehälter erhöht.

TMV:

Erkennen Sie eine gesteigerte Nachfrage bei den Gästen bezüglich nachhaltiger Angebote?

Gloor:

Wir sehen, dass die Gäste, die sich über Umweltschutz, Nachhaltigkeit und so weiter Gedanken machen, sich bei uns besonders wohlfühlen. Und sehr oft auch noch Ideen mit nach Hause nehmen. Eine gesteigerte Nachfrage kann ich derzeit nicht erkennen, weil wir schon immer in unserem ganzen Auftreten gezielt solche Leute ansprechen.

TMV:

Welche Ziele haben Sie sich für die nächsten drei bis fünf Jahre im Bereich der Nachhaltigkeit gesetzt und wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

Gloor:

Unbedingt erforderlich ist die Umstellung der Heizung, von derzeit Gas auf eine neue Wärmepumpe mit Ergänzung durch einen Holzscheit-Ofen, sowie die Erzeugung eigenen Solarstroms. Die letzten zwei Corona-Jahre haben leider unsere dafür notwendigen finanziellen Mittel stark ausgedünnt. Außerdem stehen wir derzeit mit allen unseren Ausbauplänen, wie beispielsweise dem Bau eines Personalwohnhauses, vor großen bürokratischen Hürden.

TMV:

Was wünschen Sie sich für die zukünftige touristische Entwicklung in der Region und was würden Sie daher anderen touristischen Hotels, aber auch den Tourismusorganisationen der Region ans Herz legen?

Gloor:

Wir wünschen uns, dass wir nicht mehr „Leuchtturm“ sind, sondern dass der Nachhaltigkeitsgedanke sowohl bei den Tourismuskollegen, aber auch zum Beispiel in der lokalen Landwirtschaft Fuß fasst. Es ist unerträglich, dass wir als Biohotel umgeben sind von Quadratkilometer großen, mit Ackergiften belasteten Flächen. Auch ein dramatisch verbesserter öffentlicher Nahverkehr wäre hilfreich. Sowohl die Gäste als auch die Einwohner im Dorf sind auf das eigene Auto angewiesen. Da steckt durchaus Potenzial drin. Auch der Verarmung der dörflichen Infrastruktur – keine Gasthöfe, keine Läden – müsste entgegengewirkt werden.

Wir sind Mitglied im Tourismusverein Vogelparkregion Recknitztal, um dort unser Wissen mit den anderen Mitgliedern zu teilen und zu zeigen, wie nachhaltiges Wirtschaften möglich und durchaus erfolgreich ist. Zum Beispiel beziehen wir fast alle unsere Frischeprodukte wie Milch, Käse, Gemüse, Fleisch und Eier von lokalen Produzenten. Die Logistik der Firma Biofrisch Nordost hilft uns dabei, sodass wir die einzelnen Höfe nicht selbst anfahren müssen.